Lonesome George

Heute geht es bereits um 7 Uhr mit der Fähre zur Nachbarinsel Santa Cruz. Die Überfahrt dauert trotz 600 PS ca. 2 Stunden. An den Stangen im Boot hängen reichlich Kotztüten. Da kann jeder Gast mehrmals, wenn es sein muss. Die Fahrgäste sind auf dieser Tour aber zum Glück alle seefest. Im Vergleich zu der gestrigen Bootsfahrt war die Überfahrt aber auch harmlos. Während der Himmel über San Cristóbal ziemlich düster aussieht, scheint auf Santa Cruz die Sonne.

Vom Hafen fahre ich für 1,50 $ mit dem Taxi zum Hotel und kann dort schon deutlich vor der zugesagten Check-in Zeit mein Zimmer beziehen. Als Erstes gehe ich zur nur 1 km entfernten Charles Darwin Research Station. Dort gibt es allerhand Informationen zu der Erhaltung von Flora und Fauna auf den Galápagosinseln.

Auch gibt es dort eine Aufzuchtstation für Riesenschildkröten. Hier der Kindergarten aus dem 2016er-Jahrgang, bürokratisch durchnummeriert.

Bekannt ist der 2012 verstorbene „Lonesome George“. Der wahrscheinlich letzte seiner Art, für den man zu Lebzeiten noch weltweit vergeblich nach einem genetisch passenden Weibchen gesucht hatte. Er wurde 100 Jahre alt und befindet sich nun ausgestopft in einem klimatisierten Schaukasten. Besucher müssen zunächst 6 Minuten in einer Klimaschleuse warten, dann haben sie weitere 6 Minuten für die Besichtigung und genau für 1 Minute lang wird hinter George ein Fenster durchlässig geschaltet, sodass man hinter ihm die Natur sieht. Diese minutiös geplanten Abläufe könnte sich ein Deutscher ausgedacht haben. Das Erlebnis ist für den Laien weniger besonders, da Lonesome George eigentlich genauso aussieht wie die lebenden Artgenossen draußen. Interessant finde ich die Tatsache, dass ein Temperaturunterschied von nur 1,5 °C darüber entscheidet, ob aus einem Gelege männliche oder weibliche Schildkröten schlüpfen (28 °C= Männchen, 29,5 °C=Weibchen). Ist es in den 120 Tagen Brutzeit wärmer oder kälter, dann schlüpft gar nichts aus den Eiern.

Meerechsen beim Sonnenbad. Nach einem bis zu 30-minütigem Tauchgang, bei dem Algen abgeweidet werden, müssen sich die wechselwarmen Echsen vor dem nächsten Tauchgang immer wieder aufwärmen.

Überall sind Schilder aufgestellt, sinngemäß mit der Aufschrift „Entschuldigen sie, aber wir brüten gerade. Bitte nehmen Sie Rücksicht …“. Einige vor kurzem geschlüpfte Babyechsen laufen auch schon in der Gegend herum.
In der Dorfmitte ist der Fischmarkt. Dort gibt es auch einige tierische Besucher, für die sich das Warten jeden Tag sicher lohnt.

Als Nächstes wandere ich zur Tortuga Bay. Die letzten 2,5 km sind nur zu Fuß zu bewältigen. Gefühlt sind es in der Hitze eher 5 km, aber der Mischwald aus baumgroßen Kakteen und mir nicht bekannten Bäumen ist sehenswert. Gelegentlich auch einer der extrem giftigen Manzanillo Bäume, von denen man nichts anfassen sollte und um die man bei Regen besser einen Bogen macht.

Als Belohnung dann am Ende der fast menschenleere, breite, weiße Traumstrand.

Hier am Strand kommen am Abend oder in der Nacht die Meeresschildkröten an Land, um ihre Eier abzulegen. Die frischen Nester sind entsprechend eingezäunt. Leider schlüpfen gerade keine Babyschildkröten. Am Ende der Bucht ist eine große Ansammlung der „Drachen“. Ich finde, wenn man sich einen Drachen vorstellt, dann doch so, nur noch größer und Feuer spuckend.

Santa Cruz ist die touristischste der Inseln. Die ca. 15000 Einwohner der Insel sind auf einem kleinen Teil der 986 km² angesiedelt.
Ein weiterer schöner Tag geht zu Ende. Gemessen daran, was ich seit meiner Ankunft in Ecuador schon alles erlebt habe, kommt es mir nicht vor, als wäre es erst der vierte Tag.

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