Cienfuegos

Die Nacht wurde leider vom Hahn des Nachbarn gestört, der sich ab 4 Uhr lautstark bemerkbar machte. Dem nicht genug musste er immer wieder seinen Senf dazugeben, wenn in weiter Ferne ein anderer Hahn sein Bestes gab. Um 7 Uhr reicht es mir. Ich mache einen Spaziergang durch das kleine Fischerdorf La Boca.

Die ersten Fischer kommen jetzt bereits zurück. Hier ist oft noch Muskelkraft anstatt Außenborder angesagt.

Als ich zum „Hotel“ zurückkomme, versuche ich mich erfolglos mit dem Internet zu verbinden. Selbst mit dem Computer des Besitzers scheitert der Versuch, sich an meinem E-Mail-Account anzumelden. Allein der Aufruf einer Website dauert mehrere Minuten. Ich breche den Versuch ab und genieße um 8 Uhr mein Frühstück auf der Terrasse. Da ich zum Bezahlen der Übernachtung nicht mehr genug CUC habe, fahre ich mit dem Vermieter nach Trinidad, um Bargeld aus der ATM zu ziehen. Er hat mir sogar angeboten, dass ich es ihm später überweisen kann. Ein wirklich sehr netter, aufmerksamer Kubaner, der eine Zeit in Italien gelebt hat und hier in Kuba die europäische Mentalität und Verlässlichkeit vermisst. An seinem Haus baut er nun schon seit 2008. Benötigte Materialien sind oft gar nicht oder nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Wenn man z. B. etwas streichen will, dann gibt es vielleicht gerade nur blaue Farbe. Wenn man das nicht will, dann muss man warten, bis es etwas anderes gibt.
Mein Weg führt mich heute nach Matanzas, aber als erstes Ziel gebe ich in mein Navi die Koordinaten von Cienfuegos ein. Dort gibt es sogar eine Fußgängerzone und ein paar Geschäfte.

Viele alltägliche Dinge können die Kubaner nur mit Bezugsscheinen kaufen, andere sind so teuer, dass die Einheimischen sich diese gar nicht leisten können. Zum Beispiel wäre da der Havanna Rum, der in Deutschland, wenn er im Angebot ist, weniger kostet als hier. Und ich dachte, man kann sich hier mal eine Flasche einer hochwertigeren Sorte günstig kaufen. Die Not bzw. der Mangel fördert in vielen Dingen die Kreativität, wie dieses alternative Dosenrecycling zeigt.

Der Markt von Cienfuegos hat außer einem Schinken, der einfach so draußen hängt, nur etwas Gemüse zu bieten.

Von Cienfuegos fahre ich nach Playa Giron, weil ich dachte, dort kann man eine schöne Badepause einlegen. Ein abgewracktes Hotel mit einem Pool, der schon lange kein Wasser mehr gesehen hat, erwartet mich. Am Strand ein Betonpier direkt vor der Nase. Schrecklich. Einige Kilometer weiter gibt es dann aber noch eine gut besuchte Bademöglichkeit. Die Korallenfelsen an Land lassen darauf schließen, dass der Wasserstand hier mal deutlich höher lag. Ich gönne mir eine schöne Schnorchelpause am Riff mit vielen Fischen und lebenden Korallen.

Mein Weg führt mich dann an der Bahia de Cochinos oder auch Schweinebucht vorbei. Hier wurde 1961 die von der CIA unterstütze Invasion durch 1300 Exilkubaner vereitelt, die den Sturz der seit 1959 aktiven Fidel Castro Regierung zum Ziel hatte. Eigentlich ist die Bucht nicht nach irgendwelchen Schweinen, sondern nach Drückerfischen benannt, die auf Kuba auch Cochino heißen. Auf dem ganzen Weg an der Küste sind Hunderttausende von Libellen in der Luft. Es erinnert an einen Heuschreckenschwarm. Außerdem kreisen, wie schon die ganzen Tage, überall Geier in der Luft. Am Straßenrand immer wieder Schilder mit Parolen über den Sieg, „El Comandante“, den Feind Amerika usw. Plötzlich ist die eine Fahrbahn einseitig komplett mit Getreide bedeckt. Über viele Kilometer wiederholt sich das jetzt immer wieder. Das Getreide wird hier auf der Straße getrocknet und von dort direkt in Säcke gefegt. In der Regel versuche ich nicht über das Getreide zu fahren, aber wenn Gegenverkehr kommt, dann muss zwangsläufig einer drüber fahren.

Bis zu meinem Übernachtungsziel in Matanzas sind es noch ca. 2,5 Stunden Fahrt und zunächst läuft alles gut. Circa 30 km vor dem Ziel fängt der Wagen jedoch an zu zicken. Obwohl noch ein Strich auf der Tankanzeige ist, fühlt es sich an, als wenn kurzzeitig zu wenig Sprit zur Verfügung steht. Eine Tankstelle gibt es hier natürlich gerade nicht. Im Laufe der Zeit wird es immer schlimmer und zeitweise geht bereits der Motor aus.
Weniger als 10 km vor dem Ziel halte ich bei ein paar Häusern an, um nicht mitten in der Gegend liegenzubleiben. In meiner Not spreche ich einen Bewohner an, um die Mietwagenfirma anzurufen. Es dauert eine Weile, bis ein Englisch sprechender Dorfbewohner gefunden ist. Da nicht jeder ein Telefon hat, werde ich zu einem Haus mit Telefon gebracht. Ich frage mich in dem Moment, ob ich vielleicht nur zu diesem abgelegenen Haus gebracht werde, um mir dort Geld und Handy abzunehmen. Die am Fahrrad angebrachte Machete des einen Kubaners wirkt in diesem Moment auch nicht gerade vertrauenerweckend. Wobei ich hinzufügen muss, dass viele hier mit Macheten als Werkzeug für Garten- bzw. Landschaftspflege herumlaufen. Weit gefehlt, tatsächlich hat die Dame in dem Haus ein Telefon und ruft die Mietwagenfirma an. Geld für diese Gefälligkeit lehnt sie ab. Es deutet darauf hin, dass die Tankanzeige tatsächlich mehr vorgaukelt, als noch drin ist.
Ein Dorfbewohner macht sich mit dem Fahrrad und einem Kanister auf, um ein paar Liter illegal gebunkertes Benzin zu besorgen. In der Zwischenzeit werde ich in das Haus des Englisch sprechenden Kubaners zum Kaffee eingeladen und dort seiner Familie vorgestellt. Ich bin überwältigt von der selbstlosen Hilfsbereitschaft. Nach dem Betanken erreiche ich mit Einbruch der Dunkelheit die Casa Marta María in Matanzas und beende einen ereignisreichen Tag mit einem Abendessen in einem kubanischen Restaurant.

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